Wie beim Rheingau kaum anders zu erwarten, ging es am 3. Mai beim Treffen der Weinheimer Weingilde vor allem um den Riesling. Doch nach welchen Prinzipien Theresa Breuer und ihr Team in Rüdesheim daraus die Weine machen, das war spannend zu erfahren und zu „erkosten“.
Das Weingut Breuer begann vor 130 Jahren als Kellerei, in der zweiten Generation kam der eigene Weinanbau dazu, und Vater Breuer entschied sich dann, die Kellerei aufzugeben und setzte sich das Ziel, den Rheingau zu seinem alten Renommee als Lieferant hochklassiger Weine zu verhelfen. Als er 2004 mit nur 57 Jahren überraschend starb, trat Theresa Breuer mit Anfang zwanzig in seine Fußstapfen und fand für ihre Weine sofort viel Anerkennung in der Weinwelt. Der Betrieb bewirtschaftet heute gut 38 Hektar, die sich aus mehr als 80 Lagen – ⅔ davon flach, ⅓ steil – zusammensetzen und auf drei Orte verteilen – Rüdesheim, Rauenthal und Lorch. Auf 85% stehen Rieslingreben, und das Ziel sind geradlinige Rieslinge, die von ihrer Herkunft erzählen.
Der Abend begann mit einem GB Sauvage, einem Rheingau Riesling, von 2021. Für diesen straffen Wein wird aus den getrennt im Edelstahl ausgebauten Trauben einzelner Parzellen eine Cuvée geschaffen, die die Charakteristika des Rheingaus wiedergibt.
Darauf folgte ein Ortsriesling von 2020 aus Lorch. Dieser Ort ist nur 14 km von Rüdesheim entfernt, liegt aber schon im Mittelrheintal und hat die ausnahmslos steilen Weinberge eher südwestlich ausgerichtet, so dass sie die Sonne zu anderen Tageszeiten erreicht als in Rüdesheim mit seinen Südlagen. Das führt zu einer anderen Grundcharakteristik der Weine. Theresa Breuer erzählte, dass sie dort 2019 gut 7 Hektar Weinberge aus einer Seitenlinie der Familie für 30 Jahre gepachtet haben, obwohl sie eigentlich nicht auf Expansionskurs sind – doch eine solche Möglichkeit bietet sich halt immer nur einmal. Der sich nun anschließende Rüdesheimer Ortsriesling von 2020 vereinigt die Trauben aus sechs Lagen, die im Bogen um den Ort angeordnet sind, und wurde zu ⅔ im Edelstahl und zu ⅓ in altem Holz ausgebaut. Beim Vergleich dieses Weines mit seinem als vierten Wein verkosteten Vorgänger von 2019 zeigte sich zweierlei: der große Einfluss des Wetters, denn 2019 gab es viele starke Hitzewellen, während 2020 der erste „normale“ deutsche Sommer war, seit Theresa Breuer sich bewusst mit dem Weinanbau beschäftigt, und der Einfluss der Flaschengröße auf die Reifegeschwindigkeit (der 2019er kam aus der halben Flasche). Der 2019er war hochkonzentriert, aber von zurückgenommener Wucht.
Der Blick in den Veranstaltungsraum lässt die positive Stimmung spüren.
Die letzten Rieslinge des Abends von 2020 und 2018 gehörten zur seit 1990 existierenden Terra-Montosa-Schiene des Weinguts. Hierfür werden Trauben aus den wertvollsten fünf Lagen – alles Steillagen – des Rüdesheimer Bergs, für den die ersten Weinberge im Jahr 1074 verbrieft sind, nach dem nach Parzellen getrennten Ausbau zu einer Cuvée zusammengeführt, die auf einer höheren Qualitätsstufe als der GB Sauvage ebenfalls den Rheingau insgesamt repräsentieren soll. Theresa Breuer verglich das Konzept, das sie mit ihren Terra-Montosa-Weinen und den entsprechenden reinen Lagenweinen verfolgt, mit dem der Zweit- und Erstweine im Bordeaux. Der 2020er strahlte wie alle ihrer 2020er Weine eine große Ruhe aus, der zweite, der aus der Magnumflasche kam, war noch ohne Trauben aus Lorch entstanden. Die Wetterverhältnisse 2018 mit einem relativ feuchten und kalten Winter 2017/2018 und einem langen, recht gleichförmig warmen Sommer führten bei ihnen zur frühesten Ernte des Burgunders aller Jahre: Ende August, was natürlich einen Einfluss auf den Wein hatte. Beim Verkosten des 2018er meinte Theresa Breuer spontan, er würde nun langsam seinen „Babyspeck“ abbauen.
Nun musste natürlich auch ein Burgunderwein verkostet werden: Es war ein 2020er Spätburgunder, der in unterschiedlich großen kleineren Holzfässern ausgebaut wurde, unter denen es nur wenige neue Fässer gab. Gewachsen waren die Trauben auf etwa 4 Hektar in Lorch und Rüdesheim, die den bekannten Rheingau-Rotwein-Ort Assmannshausen umzirkeln. Wohin die Reise bei den Spätburgundern im Weingut gehen wird, dazu meinte Theresa Breuer nur: Wir sind noch unterwegs.
Die Aufmerksamkeit blieb geweckt.
Begleitet wurden Weinvorstellung und -verkostung von vielen Fragen, auf die Theresa Breuer lebhaft und aufschlussreich antwortete. Beispiele: ihr Lebensweg (Abitur, nach 9 Monaten abgebrochene Ausbildung im kaufmännisch/touristischen Bereich, unerwartete Übernahme der Verantwortung im Weingut, parallel Studium der internationalen Weinwirtschaft in Geisenheim), Mitarbeiterstruktur (Außenbetriebsgruppe aus inzwischen dauerhaft ansässigen polnischen Familien, die vor allem für die Lese Erntehelfer aus ihrem Umfeld in Polen organisieren), Spontangärung/Reinzuchthefen (was in der aktuellen Situation der bessere Weg ist), Grund für alkoholarme und dennoch trockene und zugleich charaktervolle Weine (trockene Jahre, die zu verzögerter Zuckerreife führten, was aber nicht mit wenig Geschmack einhergehen muss), pilzresistente/Klimawandel-tolerierende Sorten (eigentlich sollte man da eher zu den als Unterlage zugelassenen Rebsorten (Americana-Reben) forschen, denn hier sind aktuell nur 17 in Deutschland zugelassen) und Vertriebswege (40% in Deutschland vor allem an die Gastronomie und den gehobenen Weinhandel, der Rest an etwa 25 Länder weltweit).
Mit einem Blumenstrauß, Riesenapplaus und den besten Wünschen für den Heimweg wurde Theresa Breuer von der Weingilde verabschiedet.
Hier geht’s zur Homepage des Weinguts.
Verkostete Weine
2020 | GB Sauvage, Rheingau Riesling |
2020 | ‚Estate‘ Lorch, Ortsriesling |
2020 | ‚Estate‘ Rüdesheim, Ortsriesling |
2019 | ‚Estate‘ Rüdesheim – Ortsriesling |
2020 | Terra Montosa – Steillagenriesling |
2018 | Terra Montosa – Steillagenriesling |
2020 | Spätburgunder – Pinot Noir |