Am 7. Februar war nach fast zehn Jahren wieder Eva Vollmer aus Mainz-Ebersheim zu Gast bei der Weinheimer Weingilde, und sie hatte unter anderem Weine mitgebracht, deren Namen nicht unbedingt geläufig sind. Außerdem ließ sie einige Ereignisse zwischen 2013 und 2023 aus ihrem Leben Revue passieren, z.B., dass sie bei ihrem ersten Besuch ganz frisch mit dem ersten Kind schwanger war, 2013 ihre Promotion beendet, 2017 den elterlichen Betrieb übernommen und die 12 Hektar Weinberge um 120 Hektar Bio-Ackerland erweitert hat und dass 2021 das schlimmste Pilz-Jahr war, das sie je erlebt hat.
Als Erstes wurde ein Wein von 2022 eingeschenkt, der optisch ein Federweißer, in Wirklichkeit aber ein voll durchgegorener, unüblich erzeugter Wein war. Ihr australischer Mitarbeiter wollte einen Pétillant Naturel (Kurzform PetNat) erzeugen, d.h. einen Wein, der auf der Flasche fertig gärt. Dafür wurden Trauben mit knapp 80°Oechsle verwendet, und nachdem der Most einen Oechsle-Wert von etwa 10 erreicht hatte, wurde er aufgerührt und auf Flaschen gefüllt. Dieser Wein benötigt keinen Schwefel zur Stabilisierung, denn das übernimmt die Hefe, aber er muss natürlich in druckstabile Flaschen gefüllt werden, denn beim Weitergären entsteht CO2, das sich beim Öffnen der Flasche auch – wie bei einem Sekt oder Champagner – deutlich bemerkbar macht. Eingesetzt wurden Riesling- und Scheurebe-Trauben, und sie stammten von einem Minimalschnitt-Weinberg. In einem solchen Weinberg sehen die Rebstöcke eher wie Büsche aus, die jedes Jahr getrimmt werden müssen und im Laufe der Jahre viele, aber immer kleinere Beeren liefern und bei denen die Handlese extrem aufwendig ist.
Nun folgte eine Weinsorte, die laut Eva Vollmer einen „Zukunftswein“ liefert, denn sie ist wegen ihrer härteren Schale weniger temperaturempfindlich und muss wegen ihres „eingebauten“ Pilzschutzes nur ein- bis zweimal im Jahr gespritzt werden, während klassische Sorten selbst im Bioweinbau acht- bis zwölfmal gespritzt werden müssen. Solche pilzwiderstandsfähigen (Piwi-)Sorten sind Kreuzungen aus robusten amerikanischen Wildreben mit wohlschmeckenden europäischen Kulturreben. Sie hatte sich 2016 entschieden, es mit dem Souvignier Gris zu versuchen, und im Ergebnis findet man Anklänge aus der Grauburgunder/Chardonnay-Welt, obwohl keine dieser Sorten an der Kreuzung beteiligt war.
Beim nächsten Wein, einem roten Riesling, gab es historische Seltsamkeiten zu hören. Die Sorte ist eine vor mehreren hundert Jahren entstandene spontane Riesling-Mutation, die sich als rezessive Variante nicht breit durchsetzen konnte. In Hessen war ihr Anbau erlaubt, in Rheinhessen dagegen lange nicht. Als das geändert wurde (im Jahr 2012), wollten die Vollmers sofort in einem Pfälzer Veredelungsbetrieb Reben kaufen, was ihnen aber nur mit Wein als Gastgeschenk gelang. 2015 gab es dann die ersten 40 Flaschen, und seither ist dieser zwischen Riesling und Burgunder schwebende Wein bei ihnen ein hochgeschätztes Produkt.
Jetzt kamen noch vier Weine aus gängigen Rebsorten: Scheurebe, Riesling und Dornfelder. Die Scheurebe ist für Eva Vollmer die filigrane deutsche Antwort auf den Sauvignon Blanc und gehört zu den schwierigen Sorten. So ist das Zeitfenster, innerhalb dessen die Trauben den idealen Reifegrad haben, sehr kurz. Die beiden anschließenden Rieslinge von 2018 illustrierten wieder einmal den enormen Einfluss des Bodens: Der Gau-Bischofsheimer ist üblicherweise eher filigran, war jedoch wegen des sehr warmen 2018 deutlich kräftiger. Trotzdem konnte ihn der zweite aus der Lage Niersteiner Pettenthal, einem rotliegenden Boden, mit seiner Mineralität immer noch leicht übertrumpfen. Vollmer beschrieb hier auch die offensichtlichen Folgen des Klimawandels, denn wegen der Steilheit des Niersteiner Pettenthals waren die Rebstöcke nach drei trockenen Jahren so geschwächt, dass sie 2022 nur noch Trauben in Kabinettqualität lieferten.
Den Abschluss des Abends bildete ein Dornfelder von 2018, der von einer sehr guten Lage stammte und im Barrique ausgebaut worden war. Mit ihm bewies sie, dass dem Dornfelder zu unrecht nachgesagt wird, nur mittelmäßige Weine zu liefern. Einen Wermutstropfen hatte sie aber auch: Die Rebsorte wird bevorzugt von der Kirschessigfliege geschädigt, und dieser Schädling wird in den kommenden Jahren zu einem immer größeren Problem werden.
Hier geht’s zur Homepage des Weinguts.
Verkostete Weine
2022 | PetNat Riesling/Scheurebe |
2021 | Souvignier Gris trocken – Zukunftswein Burgunder-Schreck |
2021 | Roter Riesling trocken lang verschollener Weißweinhit |
2021 | Scheurebe “Kalkader“ trocken kultige Diva |
2018 | Gau-Bischofsheimer Herrenberg Riesling Herr im Haus |
2018 | Niersteiner Pettenthal Riesling ehrwürdige Tante Petti |
2018 | Dornfelder “Barrique“ trocken Weltbild-Verrücker |