Im Familienbesitz seit mindestens 1576 ist das Weingut Dr. Crusius in Traisen an der Nahe – eine ganz und gar nicht alltägliche Tradition. Den Wechsel vom historisch üblichen Mischbetrieb zum reinen Weingut beschritt in den 1950er Jahren der Großvater von Rebecca Crusius, und ihr Vater, der Anfang der 1990er Jahre den Betrieb übernommen hatte, entschied sich dann sogar für eine wissenschaftlich fundierte Weinerzeugung: Er promovierte im Weinbau. Ein Erbe dieser Zeit ist eine Vielzahl an der Nahe eher unüblicher Rebsorten, denn Crusius sen. hatte damals viele Rebsorten versuchsweise angebaut, und die mit den Boden- und Wetterbedingungen an der Nahe gut klar kamen blieben erhalten.

Seit 1984 ist das Weingut eines von nur neun VDP-Mitgliedern an der Nahe und hat Rebstöcke in fünf VDP.Großen Lagen stehen.
Rebecca Crusius hatte nach dem Abitur erst mal gar nichts mit Weinbau am Hut, doch nach ein paar Semester BWL entdeckte sie ihre Liebe für die Vielfalt an Tätigkeiten, die in einem Weingut anfallen, und wechselte nach Geisenheim.
Nach Abschluss ihres Studiums arbeitete sie ein halbes Jahr bei Theresa Breuer, die ihr Weingut im Mai 2022 bei der Weingilde vorgestellt hat. Seit 2019 leitet sie nun den elterlichen Betrieb.
Der erste Wein, der ins Glas kam, war eine Cuvée aus den an der Nahe eher seltenen Rebsorten Weißburgunder und Auxerrois, die zum Teil in alten Holzfässern, zum Teil in Stahl ausgebaut und meist im Verhältnis 55:45 gemischt werden. Hier erfuhr man auch, dass das Weingut 30 Hektar bewirtschaftet und dass bei den Weißweinen Riesling (55%), Weißburgunder (25%) und Auxerrois (10%) dominieren.Es folgte ein Blanc de Noir aus Frühburgunder, zu dem Rebecca Crusius anmerkte, dass sie die Rebsorte zwar schätzen, es aber trotzdem sein könne, dass es sie bald bei ihnen nicht mehr geben werde: Sie reift viel früher als alle anderen Rebsorten und ist daher eine „Leibspeise“ für Wild und die Kirschessigfliege. Darum werden die Trauben jetzt fast immer nicht ganz reif gelesen undzu einem Blanc de Noir verarbeitet. Hier hatten sie manchmal Probleme mit der Weinprüfung, wenn der Wein für diesen Namen zu dunkel war. Ihre kreative Lösung: Sie schreiben aufs Rückenetikett, wie vorgeschrieben, Rosé und aufs Vorderetikett „pas de Blanc de Noir“.

Die anschließende Cuvée aus Weißburgunder, Auxerrois, Grauburgunder und Chardonnay (4:4:1:1) verdankt ihren Namen CONNEXXION einer zum Glück harmlos verlaufenen „Begegnung“ von Crusius sen. mit einem niederländischen Bus. Als er nach dem ersten Schreck auf dem Bus das Wort connexxion las, wusste er: So soll die neue Cuvée heißen. Dieses Schätzchen, von dem es in guten Jahren etwa 600 Liter gibt, wird in 600- oder 300-Liter-Holzfässern ausgebaut, wobei zumindest der Grauburgunder durch Spontanvergärung entsteht.
Als Nächstes gab es das Ergebnis eines gemischten Satzes mit dem Namen DOLCEFARNIENTE: Der Weinberg, aus dem die Trauben dafür stammen, ist einen Viertelhektar groß, und von manchen Sorten stehen dort nur 20-50 Rebstöcke. Bei diesem Wein, bei dem sie sich für eine feinherbe Charakteristik entschieden haben, ist die Aromatik jedes Jahr anders, wobei durch die Zugabe von etwas Riesling und ??? für eine ausreichende Säure gesorgt wird. Was Rebecca Crusius an diesem kleinen Weinberg im Herbst begeistert, ist, dass man beim Laufen durch die Rebzeilen die enorme Vielfalt an Blätter-, Trauben- und Beerenformen in einem „richtigen“ Weinberg erleben kann – sonst findet man das höchstens in Lehr-Weinbergen.
Die letzten Weine präsentierten DIE Rebsorte der Nahe, den Riesling, in drei Qualitätsstufen – VDP.Ortswein, VDP.Erste Lage und VDP.Große Lage – und von sehr unterschiedlichen Böden (die Bodendiversität ist an der Nahe die größte in Deutschland): roter Vulkanboden, ein Schieferboden, der eher wie Sandstein aussieht, bzw. schwarzer Vulkanboden. Der Ortswein ist für Rebecca Crusius der für ihr Weingut typischste Wein und ihr Lieblingsriesling. Beim Große-Lage-Wein war klar, dass der Jahrgang 2023 noch viel zu jung ist, um sein volles Potenzial zu zeigen, aber dennoch hinterließ er schon ein sehr guten Eindruck.

Beim Ausblick auf die Weine des Jahres 2024 hieß es, dass sie wegen Spätfrösten im April bei den eigenen Weinen Ertragseinbußen bis zu 80% hatten und dies nur durch Zukauf von Trauben von Winzern an der unteren Nahe teilweise kompensiert werden konnte. Doch obwohl sie während der Monate bis zur Lese mit diesen Winzern eng zusammengearbeitet hatten, dürfen sie diese Weine nicht als Erzeugerabfüllung verkaufen – ihre vielen Direktkunden wird das zum Glück nicht abschrecken.
So ging ein sehr informativer und zugleich unterhaltsamer Abend mit leckeren Weinen zu Ende, und der Referentin wurde als kleines Dankeschön ein Blumenstrauß überreicht.

Hier geht’s zur Homepage des Weinguts.
Verkostete Weine
2023 | Traiser Weißburgunder & Auxerrois trocken |
2023 | Traiser Frühburgunder Blanc de Noir, trocken |
2023 | CONNEXXION Burgunder-Cuvée trocken |
2023 | DOLCEFARNIENTE Cuvée |
2023 | VOM FELS Traisen Riesling trocken, VDP.Ortswein |
2023 | Norheimer in der Kirschheck Riesling trocken, VDP.Erste Lage |
2023 | KUPFERGRUBE Riesling GG trocken, VDP.Große Lage |